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Epilepsie und Schwerbehindertenausweis

Die Epilepsie kann mit deutlichen Einschränkungen bei der Lebensführung verbunden sein und mit der Abhängigkeit von der Hilfe anderer. Wie gravierend die Auswirkungen der Erkrankung sind, ist individuell sehr unterschiedlich. Die Frage, ob ein Schwerbehinderten-ausweis beantragt werden sollte, kann deshalb nicht pauschal beantwortet werden, sondern verlangt eine sorgfältige Abschätzung der Situation des Einzelfalls.


Der Schwerbehindertenausweis

Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises basiert auf dem Schwerbehinderten-gesetz, das im Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) formuliert wurde. Es ist im Jahre 2001 in Kraft getreten. Das Gesetz hat das Ziel, Benachteiligungen behinderter Menschen auszugleichen (Nachteilsausgleiche). Dies betrifft vor allem Einschränkungen hinsichtlich der Mobilität, Benachteiligungen im Arbeitsleben und allgemein in der Gesellschaft sowie erhöhte wirtschaftliche Belastungen. Inhaber eines Schwerbehindertenausweises haben deshalb:

  • steuerliche Vergünstigungen
  • Vergünstigungen im Personen-, Nah- und Fernverkehr
  • Vergünstigungen im Arbeitsleben

Zum Beispiel können schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 63. Lebensjahr in Rente gehen.

Sie genießen einen besonderen Kündigungsschutz (der Kündigung muss zuvor durch das Integrationsamt zugestimmt werden), sind von Mehrarbeit generell freigestellt und haben Anspruch auf Zusatzurlaub. Sie erhalten Hilfe bei der Wohnraumbeschaffung. Bei der Einkommensteuer haben schwerbehinderte Menschen besondere Freibeträge und zwar abhängig vom Behinderungsgrad. Im Straßenverkehr sowie in Bus und Bahn gibt es ebenfalls Vergünstigungen, die entsprechend der Art und ebenfalls entsprechend dem Grad der Behinderung abgestuft sind. Den Nachweis der Anerkennung als schwerbehinderter Mensch stellt der so genannte Schwerbehindertenausweis dar. Er wird vom Versorgungsamt der Stadt oder der Gemeindeverwaltung ausgestellt, wenn der Grad der Behinderung (GdB) mindestens 50 Prozent beträgt. Der Ausweis ist normalerweise grün und trägt auf der Vorderseite einen Vermerk der Gültigkeit. Er hat eine orangefarbige Fläche auf der Vorderseite

bei Personen, die gehbehindert, hilflos oder blind sind und daher besonderer Hilfe bedürfen. Vermerkt im Ausweis sind außerdem der Grad der festgestellten Behinderung. Konkret können folgende Abkürzungen enthalten sein:

  • G steht für „erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“, gehbehindert
  • aG steht für außergewöhnlich gehbehindert
  • H bedeutet hilflos
  • BI bedeutet blind
  • Gl bedeutet gehörlos
  • B steht für die Notwendigkeit einer Begleitperson
  • RF bedeutet, dass der Betreffende von den Rundfunkgebühren befreit werden kann.


Gleichstellung

Menschen, die einen Grad der Behinderung von 30 Prozent oder mehr haben, können, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht bekommen oder halten können, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden (§ 2 Abs. 3 SGB IX).


Behinderungsgrad bei Epilepsie

Wird ein Antrag auf Schwerbehinderung gestellt, so prüft das Versorgungsamt, ob eine Behinderung besteht und wie hoch der Grad der Behinderung ist. Es ist bei der Antragsstellung wichtig, die Art und die Auswirkungen der Epilepsie genau darzulegen und Angaben darüber zu machen, ob es sich um leichte oder schwere Anfälle handelt und wie häufig diese auftreten. Ratsam ist es, dem Antrag medizinische Befunde oder Begutachtungen beizufügen. Üblicherweise werden bei der Epilepsie auf Grundlage der ärztlichen Gutachtertätigkeit folgende Behinderungsgrade festgestellt:

  • 40 Prozent: sehr selten auftretende, generalisierte große und komplex-fokale Anfälle (Pausen von mehr als einem Jahr) und kleine, einfach fokale Anfälle (Pausen von Monaten)
  • 50 bis 60 Prozent: seltene große und komplex-fokale Anfälle (Pausen von Monaten) sowie kleine, einfach fokale Anfälle (Pausen von Wochen)
  • 60 bis 80 Prozent: mittelhäufig auftretende generalisierte große und komplex-fokale Anfälle (Pausen von Wochen) sowie kleine, einfach fokale Anfälle (Pausen von Tagen)
  • 90 bis 100 Prozent: häufige generalisierte große oder komplex-fokale Anfälle (wöchentlich) oder Serien generalisierter Krampfanfälle, fokal betonter oder multifokaler Anfälle sowie tägliche kleine und einfach fokale Anfälle.

Besteht seit drei Jahren Anfallsfreiheit, es müssen jedoch weiterhin Antiepileptika eingenommen werden, so wird ein Behinderungsgrad von 30 Prozent attestiert. Bei dreijähriger Anfallsfreiheit ohne Medikation wird die Epilepsie als abgeklungen erachtet und es ist (außer wenn ein Hirnschaden infolge der Erkrankung nachgewiesen wird) nicht mehr von einer Schwerbehinderung auszugehen.

Verschlechtert sich umgekehrt die Epilepsie, so kann ein Antrag auf Neufestsetzung gestellt werden.


Widerspruch gegen den Bescheid

Wird der Antrag auf Schwerbehindertenausweis abgelehnt oder ist der Antragssteller mit der Einstufung des Behinderungsgrades durch das Versorgungsamt nicht einverstanden, so ist innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Sollte auch die darauf hin erfolgende Widerspruchsentscheidung nicht akzeptiert werden, so kann der Widerspruchsbescheid durch eine Klage beim Sozialgericht angefochten werden


Vorteile des Ausweises für Manschen mit Epilepsie

Inhaber eines Schwerbehindertenausweises haben als Nachteilsausgleich in einigen Lebensbereichen Vergünstigungen und dass unabhängig von der Ursache der Behinderung. Die Vergünstigungen gelten somit uneingeschränkt auch für Menschen mit Epilepsie. Konkret bestehen folgenden Besonderheiten:

  • Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen pro Jahr
  • Besonderer Kündigungsschutz (das Integrationsamt muss einer Kündigung vorher zustimmen)
  • Herabsetzung der Altersgrenze für das flexible Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung 
  • Steuerbegünstigung oder sogar Steuerbefreiung abhängig vom Grad der Behinderung
  • Begleitende Hilfen im Arbeitsleben (finanzielle Hilfen an den Arbeitgeber, Wiedereingliederungshilfen, Hilfsmittel)
  • Förderung der Beschäftigung durch den Arbeitgeber (Ausgleichsabgabe).

Bestehen neben der allgemeinen Behinderung besondere gesundheitliche Beeinträch-tigungen, so werden vom Versorgungsamt weitere Merkzeichen (B, G, aG, RF oder H) in den Ausweis aufgenommen und es kann weitere Vergünstigungen geben wie zum Beispiel:

  • eine Befreiung von der Rundfunkgebühr
  • Ermäßigungen bei der Telefongebühr
  • Freifahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Vergünstigungen im Fernverkehr
  • Eine Befreiung von der Kfz-Steuer


Potentielle Nachteile

Nicht jeder Mensch mit Epilepsie wird einen Schwerbehindertenausweis erhalten und der Ausweis ist auch nicht für jeden sinnvoll. Er soll dazu beitragen, Nachteile, die sich durch die Erkrankung ergeben, zumindest teilweise auszugleichen. Das aber kann sich als Bumerang erweisen, wenn die Beeinträchtigungen bei der Mobilität oder der allgemeinen Leistungsfähigkeit im Einzelfall deutlich geringer ausgeprägt sind, als der Schwerbehindertenausweis dies signalisiert. So ist es zum Beispiel für einen Arbeitgeber ein gravierender Unterschied, ob er bei den Bewerbern um eine freie Arbeitsstelle bei gleicher Qualifikation einen Kandidaten ohne oder mit Schwerbehindertenausweis auswählt. Zwar gibt es nach § 81 Sozialgesetzbuch IX ein Benachteilungsverbot von schwerbehinderten Menschen, inwieweit dies jedoch im Alltag zum Beispiel bei der Bewerberauswahl durch Arbeitgeber berücksichtigt wird, ist schwer zu überprüfen. Übrigens ist man gesetzlich verpflichtet, seinem künftigen Arbeitgeber eine bestehende, anerkannte Schwerbehinderung anzugeben, sofern danach gefragt wird. Fragt der Arbeitgeber aber nicht danach, braucht die Schwerbehinderung auch nicht mitgeteilt zu werden.


Rückgabe des Schwerbehindertenausweises

Der Schwerbehindertenausweis kann dem Versorgungsamt zurückgegeben werden, zum Beispiel wenn eine Anfallsfreiheit erreicht wurde. Es reicht in einem solchen Fall, dem Versorgungsamt formlos mitzuteilen, dass die Epilepsie bei der Feststellung des Grades der Behinderung nicht mehr berücksichtigt werden soll. Die Mitteilung bewirkt, dass der Ausweis eingezogen wird, sofern nicht zusätzliche andere Behinderungen mit einem Grad von mindestens 50 Prozent vorliegen.


Weiterführende Informationen

Informationen über die Möglichkeiten, Nachteile infolge von Erkrankungen und Behinderungen auszugleichen und über das Antragsverfahren zum Erlangen eines Schwerbehindertenausweises gibt es bei den
Integrationsämtern: www.integrationsaemter.de Die entsprechenden Antragsformulatre sind beim zuständigen Versorgungsamt der Stadt- und Gemeindeverwaltung, den Sozialdiensten in Krankhäusern und Behörden sowie den Vertrauenspersonen der örtlichen Schwerbehindertenvertretung erhältlich.